Zum ersten Mal dabei - Erfahrungsbericht eines Einsteigers

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Erfahrungsbericht von Sven Calsbach:

 

In der Woche vom 18. Juli bis zum 23. Juli hat unser Teammitglied Sven Calsbach zum erstmals an einer Deutschen Meisterschaft im Motorkunstflug teilgenommen. Und er hat diese Teilnahme gleich mit einem grandiosen 3. Platz in seiner Klasse gekrönt. Im Folgenden könnt Ihr lesen, was Sven in dieser Woche erleben durfte.

Wo liegt eigentlich Ballenstedt?

Ballenstedt, wo zum Teufel liegt Ballenstedt? Ein Blick in die Karte und ich finde einen kleinen Verkehrslandeplatz südwestlich von Magdeburg und östlich den Harzes, in der Nähe der Stadt Quedlinburg.
In Ballenstedt findet die Deutsche Meisterschaft im Motorkunstflug 2016 statt. Verteilt auf vier Klassen messen sich ca. 30 Aktive mit fast ebenso vielen Flugzeugen und ermitteln die Besten ihrer Klasse und den offiziellen Deutschen Meister in der höchsten Klasse.

Wer nicht so genau weiß, worum es beim (Motor-)Kunstflug geht, kann sich mit diesem Know-How Artikel orientieren.

In welchen Klassen kann man antreten?

Geflogen wird in 4 Klassen: Sportman, Intermediate, Advance und Unlimited. Die Sportsman und Intermediate sind Anfängern und fortgeschrittenen Anfängern vorbehalten und bilden so etwas wie die Nachwuchswettbewerbe. In der Advance-Klasse geht es dann schon an körperliche und technische Grenzen. Das Teilnehmerfeld in dieser Klasse bildet fast 50% aller Teilnehmer überhaupt ab. Die Krönungsklasse Unlimited bleibt in Deutschland nur einer sehr kleinen Gruppe von sehr erfahren Piloten vorbehalten.

Der Wettbewerb, oder wie komme ich an möglichst viele Punkte?

Geflogen wird die ganze Woche um an maximal vier Wertungstage zu kommen. Das gute Wetter in Ballenstedt, die trockene Hitze der Magdeburger Börde ermöglichte es allen 4 Klassen von Montag bis Donnerstag Ihre Programme vollständig zu fliegen. Donnerstag standen die Ergebnisse fest, Freitag wurde ein Spaßwettbewerb geflogen und Samstag die Kür der Unlimited-Klasse, die sich Freestyle nennt.

Der erste Wettbewerbstag, die ersten Probleme

Obwohl nur das bekannte Standardprogramm zu fliegen ist, wird der Tag doch ganz anders als erwartet.
Um 09:00 Uhr geht’s mit dem Briefing los. Anwesenheitskontrolle, Sicherheitshinweise, Programmablauf, Regeln, Regeln, Regeln. Wann vorbereiten, wann Anlassen wann und wie zur Landebahn rollen, welche Frequenzen zum Starten und Landen, welche Box-Frequenz um die Anweisungen der Wettbewerbsleitung zu verstehen. Was mache ich im Notfall, wie lauten die Kommandos, wie sind die Regeln für Unterbrechungen, wo gibt’s Benzin, wann wird getankt? Was ist bei den hohen Temperaturen zu beachten?

Dann die Überraschung: Aufgrund einer Regeländerungen brauchen die hohen Klassen mehr Zeit zur Vorbereitung auf den nächsten Tag. Was harmlos klingt, hat Konsequenzen. Die Anfängerklasse fliegt immer zum Schluss des Tages: Vor 1800 Uhr kommen wir nicht in die Luft. Wie soll ich 9 Stunden die Konzentration oben halten? Und mache ich dann noch alles richtig?

 

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LETZTES COACHING FÜR SVEN VOR DEM ERSTEN FLUG

 

Der Tag schleicht dahin. Spannend, den anderen zu zuschauen aber immer im Hinterkopf, gleich bis Du dran. Entspannung sieht anders aus. Gegen 1630 Uhr Flugzeug aus der Halle holen zum Anlassplatz schieben, checken, alles nochmals überprüfen: Fallschirm, Handschuhe, Kopfhörer, Haube? Klebt der richtige Zettel mit dem richtigen Programm im Flugzeug? Das Programm im Kopf immer wieder durchgeflogen…. und warten…..
17:45 Uhr, der erste der Sportsman-Klasse geht raus. Ich bekomme von Walter Kampsmann, meinem Trainer und Betreuer, das Signal, einzusteigen und mich anzuschnallen. „Wenn der 2. In der Luft ist lässt Du an, rollst zum Haltepunkt und wartest auf die Startfreigabe.“ Und dann fliegst Du das Programm genauso, wie wir das einstudiert haben“. „Achte auf den Wind, Du wirst nach Süden versetzt, nicht, dass Du aus der Box geblasen wirst“
Auf geht’s, jetzt zählt‘s: Abheben, steigen, Frequenz umschalten. Ich erhalte die Freigabe von den Schiedsrichtern in die Box zu fliegen und meine beiden Sicherheitsfiguren zu fliegen. In ca. 1000 m Höhe schaue ich die auf die Box, die am Boden durch weiße Tücher markiert ist. Mist!!! Sooooo klein war die noch nie…… In die Box erste Sicherheitsfigur, die EXTRA auf den Rücken gelegt, es klappert nichts, es poltert nichts, ich sitze knackig fest angeschnallt, der Öldruck ist wo er sein soll. Wieder in normal Fluglage und voll senkrecht hoch, die EXTRA bebt oben am Ende der Linie, wo sich Schub und Schwerkraft treffen, ein kurzer Tritt ins Seitenruder und es geht Senkrecht nach unten, dann in die Waagerechte und mit ca 360 km/h aus der Box. Freigabe aus der Box für Programm: Ich fliege das Programm wie immer herunter. Die Nr. 2 der Trudler war nix, zu unsauber, eher geschmiert als präzise. Ich denke nur: Mist, gleich am Anfang und hechele weiter durchs Programm. Die Eile sollte sich rächen.

Obwohl alles geflogen und auch in die richtige Richtung waren die Linien zu unpräzise, die Stopps zu wenig akzentuiert und die ganze Sache nicht „knackig“ genug. Walter empfängt mich mit den Worten: „Man konnte sehen, das DU dem Flugzeug im Kopf immer eine Figur voraus warst.
Die Kampfrichter haben es auch so gesehen. Für den verpatzten Trudler gibt es minimal Punkte, für den Rest so…. nah ja…. Und das „Na ja“ ergibt dann den vorletzten Platz.
Super, dass war das Bekannte Programm, ab Morgen nur noch dreimal Unbekanntes, also Programme, die man in der Kombination so, noch nie geflogen ist.

 

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NICHT SO GUT GELAUFEN – FEEDBACK NACH DEM 1. FLUG

 

 

Treffen mit drei Unbekannten

Die nächsten drei Tage laufen organisatorisch ab wer der Erste: Morgens Briefing, Abends fliegen.
Um den Tag über beschäftigt zu sein, melde ich mich vormittags als Schiedrichter-Assistent an. Das heisst: Ich sitze am Boxrand, mein Schiedsrichter bewertet die Figuren der hören Klassen und diktiert mir die Wertungen auf den Protokollbogen. Zum ersten Mal nehme ich bewusst wahr, was die alles sehen. Welche Nuancen die erkennen und mir wird sonnenklar, das meine Wertung vom Vortag durch aus gerechtfertigt war. Dieser Lerneffekt sollte sich auszahlen.

Den Nachmittag verbringe ich damit mir das „neue“ Programm in den Kopf und die Bewegungen in den Körper einzuprägen. Man läuft das Programm räumlich in einer imaginären Box am Boden ab und versucht sich vorzustellen, wie das im Raum aussieht. Wenn Sie also auf einem Wettbewerb als Zuschauer Piloten wahrnehmen, die mit erhobene Händen „lustige“ Tanzbewegungen aufführen, nicht wundern. Sie fliegen im Geist das Programm durch. Und ja: Es sieht aus wie in Hollywood: Der mit dem Wolf tanzt“.

Das neue unbekannte Programm für den 2. Tag enthält eine neue Herausforderung und eine böse Überraschung. Die Herausforderung: In der Mitte gilt es, in der Senkrechten eine 1/4 Umdrehung zu fliegen und die darauf folgenden Figuren rechtwinklig in der Tiefe der Box zu zeigen. Das Problem: Wenn man falsch herum rausdreht um wieder in die richtige Linie zu kommen, war‘s das. Man fliegt auf direktem Weg aus der Box in die Disqualifikation! Alles was nach diesem Fehler kommt wäre 0-Punkte. Also Konzentration und Tanzen ist angesagt. Bloß nicht falsch abbiegen. Die böse Überraschung: Die Startplätze werden ausgelost. Ich habe die Nr. 1: ich bin der Erste in der Klasse der heute fliegen muss und habe keine Chance mir die anderen anzusehen und zu lernen. Walter sagt nur: „Nimm‘s wie es ist, Du kannst es eh nicht ändern, morgen fliegt ein anderer zuerst“.

Die Erfahrungen vom Vortag und vorm Vormittag helfen. Ich bin viel ruhiger und fliege mein Programm herunter: Walters Kommentar: „Du bist nicht falsch abgebogen, Du bist in der Box geblieben und man konnte richtig gut sehen was Du machst. Das Ergebnis: 4. Platz, Ich kann‘s doch und es wird besser. Abends bekommen wir die die 2. Unbekannte und fangen an zu „tanzen“.

 

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GEHT DOCH!. ZUFRIEDENER SVEN NACH DEM 2. TAG

 

 

Dritter Wertungstag

Am 3. Tag wieder Briefing, wieder Schiedsrichterassistenz und wieder fliegen. Es kehrt Routine ein. Die Anderen machen auch Fehler und die Wertungen festigen sich. Ich bleibe auf dem 4. Platz. Abstand 4% zum Fünften und 4% zum Dritten. Walter meint, das könnte der Endstand werden. 4% nach vorne zu fliegen dürfte schwer sein, aber das gilt auch für die Nummer 5. Die 3. Unbekannte enthält wieder Neues.

Letzter Wertungstag: 3. Unbekannte: Kein Druck, der 4. Platz scheint gesetzt zu sein, wenn ich nicht grenzenlosen Mist baue. Relativ ruhig und konzentriert breite ich mich vor. Heute bin ich an Nummer 3 gesetzt. Der Flug verläuft nach meiner Einschätzung gut, keine groben Schnitzer, Walter meint, es wäre mein bester Flug bisher gewesen. Es gilt die Wertung abzuwarten. Während wir den Flieger putzen und zur Halle bringen, Gespräch mit dem noch Dritten. Wolfgang ärgert sich, er hat eine Figur verpatzt. Es wird spannend. Nach 2 Stunden warten die Wertung: Ich muss dreimal hinsehen: 3. Platz, ich fasse es nicht. Später erfahre ich, dass es nur 4 Punkte waren die uns trennten, bei über 4700 Punkten insgesamt. Bierdurst stellt sich ein, Telefonate mit der Frau und Spaß mit den anderen. Welch ein Tag. Auf Facebook treffen die ersten Glückwünsche ein, obwohl ich nicht mehr fliege schwebe ich.

 

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SVEN AUF’M TREPPCHEN – 3. PLATZ

 

 

Das Sahnehäubchen des Tages

Obwohl wie alle gegeneinander fliegen sind wir doch als Team nach Ballenstedt gefahren (Team extrabatics). Trainer: Walter Kampsman, Advance-Klasse: Bernhad Diehl und Dennis Stächlin, Intermediate-Klasse Nadya Yakhnich und Elmar Lüttgens und Sven Calsbach in der Sportsman Klasse. Das Team hat unter der Leitung von Walter die Wochen zuvor mit 2 Flugzeugen in Dinslaken trainiert. Alle haben sich gegenseitig unterstützt und wir hatten am Ende der Wochen alle was zu feiern. Bernhard und Dennis sind eine Klasse aufgestiegen und haben sich gut positioniert. Nadya hat in der Intermediate Klasse sensationell den 1. Platz belegt und Elmar und ich sind in der Sportman-Klasse bei unserem ersten Wettbewerb überzeugend nach vorne geflogen. Walter als Trainer war am Ende der Woche mehr als zufrieden.

Fazit

Angetreten um zu lernen, ruhiger und besser geworden über die Woche. Es macht Spaß, es macht süchtig, Rückschläge gehören dazu und im nächsten Jahr sind wir wieder dabei.